Ein sehr intelligentes Stück

// Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs von Rosa von Praunheim //

Was haben Adolf Hitler und Friedrich II, bekannt als „der Große“ gemein? – Sie waren Massenmörder und (angeblich) schwul. So spitzt es Rosa von Praunheim in seinem neuen Stück Hitlers Ziege und die Hämorrhoiden des Königs zu. Es ist eins von drei Gewinnerstücken der Autoren(theater)tage 2020 im Deutschen Theater Berlin und kam am 2. Oktober dort zur Uraufführung.

Der Autor und Regisseur des Stücks geht sogar so weit, die Mordlust der beiden Herrscher als Kompensation mangelnder Männlichkeit, wie sie Schwulen (damals) attestiert wurde, zu sehen. Mit steilen Thesen und keineswegs flachem Humor lässt Rosa von Praunheim nicht nur Adolf Hitler und Friedrich II aufeinandertreffen, sondern auch den fiktiven Politiker „Vogelschiss“ der gar nicht so fiktiven Partei AfD. Letztere feiert sich im Stück als „Arschlöcher für Deutschland“.

Und worum geht es in diesem aberwitzigen Stelldichein? Um weltbewegende Themen wie Hitlers Penis, die Wurzel des Bösen, Blähungen durch vegetarische Ernährung, die Zukunft Deutschlands sowie Bepinkeln und Bescheißen zum sexuellen Lustgewinn.

Die politische Farce lebt von der engen Zusammenarbeit Rosa von Praunheims mit den beiden Darstellern Heiner Bomhard und Božidar Kocevski, die er nach dem Schlussapplaus als Inspirationsquelle und „die größten Komödianten aller Zeiten“ würdigt. Bomhard und Kocevski musizieren, witzeln, singen und plaudern sich in schweißtreibender Geschwindigkeit durch die deutsche Geschichte. Die Leichtigkeit, mit der sie mit jedem neuen Kostüm (Johanna Pfau) auch die Rollen wechseln, verleiht der kurzweiligen Stunde fast Improvisations-Charakter. Ob im Fatsuit als Hitlers nackte Nichte Geli Raubal, als arischer Diktator im „Kanakenkörper“ (Kocevskis), in Uniform oder Abendkleid: Kocevski und Bomhard haben sichtlich Freude an dem wilden Ritt – und die färbt ab.

Alles ist erlaubt, je oller je doller, Hauptsache lustig. „Es war lange nicht statthaft, negativ über Schwule zu sprechen, im Zeichen der Emanzipation. Ich denke, heute haben wir einen Zeitpunkt erreicht, wo man auch böse Schwule zeigen kann“, sagt Rosa von Praunheim im Interview mit Dramaturg Bernd Isele. Dabei zeigt der Autor und Regisseur diese „bösen Schwulen“ mit einer erstaunlichen Fähigkeit, nicht zu werten. Indem er die realen (historischen) Gräuel der Personen mit ihren – vielleicht nicht minder realen – skurriken sexuellen Vorlieben kontrastiert, entwaffnet er sie auf geniale Art und Weise.

Die Bühne (Johanna Pfau) hält für den assoziativen, wilden Spielrausch Kocevskis und Bomhards allerlei Requisiten bereit: Ein Furzkissen und eine Toilette, die titelgebende Ziege, Peitsche, Halsband und Leine; außerdem Penisse – riesengroß in Neonfarben und kleiner auf Fähnchen, gern auch als goldener Tischschmuck; ein Schminktisch, ein Globus und ein Flügel – leichthändig bespielt von Heiner Bomhard. Die Lieder, die er darauf intoniert, überschreiten genüsslich die Grenze zu Scham und Schauder.

Dieser Abend ist sehr lustig und zugleich bitterernst. Dass Rosa von Praunheim den AfD-Politiker „Vogelschiss“ tauft und damit auf Alexander Gaulands Verharmlosung Hitlers und der Nazi-Verbrechen als „Vogelschiss in der deutschen Geschichte“ verweist, zeugt von der Gefahr, die er in der AfD sieht. Aber er begegnet dieser Gefahr auf seine höchsteigene Weise, indem er mit Humor auf sie zielt und hofft, sie möge zur Premiere erschienen sein.

Magdalena Sporkmann

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