Concord Floral

// Das Gewächshaus von Jordan Tannahill //

CONCORD FLORAL ist ein Ort der Freiheit. – Das verfallene Gewächshaus mitten auf dem leeren Acker fungiert als Treffpunkt einer Clique. Die Jugendlichen feiern hier Parties, probieren Drogen und Sex aus und erzählen sich ihre Geheimnisse. – Nur über ein gemeinsames Geheimnis spricht niemand. Denn das Gewächshaus ist auch ein Ort des Verbrechens.

Salome Dastmalchi hat gemeinsam mit DarstellerInnen des Jungen DT Das Treibhaus auf die Bühne des Deutschen Theaters gebracht. Ein Stück, von dem dessen Autor Jordan Tannahill behauptet, es sei eine Kreuzung aus dem Decamerone von Boccaccio und I Know What You Did Last Summer von Lois Duncan. Die Premiere fand am 9. Februar 2020 statt.

Aus den sieben Edeldamen des Decamerone macht Tannahill sieben Mädchen, denen er drei Jungen zur Seite stellt. In der Inszenierung von Salome Dastmalchi spielen sieben DarstellerInnen alle zehn Rollen. Dadurch ergeben sich erfrischende Verwirrungen der Geschlechteridentitäten. Statt fiktiver Geschichten, versuchen sie in dem Spiel „Wahrheit oder Pflicht“, höchst reale Begebenheiten miteinander zu teilen. Bedauerlich ist, dass sich Dastmalchi hier auf so nichtssagende „Wahrheiten“ wie „das beste Orgasmus-Gesicht“ und die „hässlichste Klassenkameradin“ beschränkt. Im Programmheft sind sog. „Interviews“ abgedruckt, die im Probenprozess mit den SpielerInnen entstanden und deutlich interessanter sind. Die darin preisgegebenen (fiktiven) intimen Details beweisen, dass die DarstellerInnen ihre Figuren durchdrungen haben. Auf der Bühne dürfen sie davon weniger zeigen. Hier verschwimmen die Charaktere zu einer eher homogenen Gruppe von Jugendlichen.

Davon zeugt auch die einheitliche Uniformierung in schwarzen Jeans, rosa-roten Sweatshirts und grünen Blousons (Ausstattung: Susanne Hiller, Garderobe: Sabine Reinfeldt). Das rote Sweatshirt immerhin, soll sich noch als Corpus Delicti entpuppen, an dem sich die Rache einer sozialen Gruppe entfaltet, deren Regeln unwissentlich gebrochen wurden ...

Die „Pest“ vor der die sieben Jugendlichen in das Exil des Gewächshauses flüchten, seien die Eltern mit ihren dringenden Vorstellungen kleinbürgerlichen Familienlebens, mag man zunächst vermuten. Als die Jugendlichen im Gewächshaus aber auf die stofflichen Überreste eines Mädchens stoßen, dämmert in ihnen die Erinnerung an ein längst vergessenes Verbrechen auf (hier kommt I Know What You Did Last Summer ins Spiel). Der Geist der Bobbie James sucht sie alle nacheinander heim und bringt sein verdrängtes Schicksal zu Sprache. Was lange, lange als übernatürliche Spukgeschichte daherkommt, entpuppt sich zuletzt als schrecklich reales Drama. Allein, der Weg dahin ist langwierig.

Die dauernde Exaltaltion – es wir viel geschrien, gekreischt gebrüllt, gefleht – im Spiel der DarstellerInnen steht in keinem Verhältnis zu den Banalitäten, um die es die meiste Zeit über geht: Das neue Handy … Wer mit wem … Die Hausaufgaben … Es mag sein, die Erinnerung an die eigene Jugend bestätige durchaus, dass aus erwachsener Sicht Banales in den Teenager-Jahren noch der große Aufreger war. Der Dramaturgie (Lasse Scheiba) des Stücks tut diese Dauererregung jedoch nicht gut. Fast verpufft der eigentliche dramatische Höhepunkt – die Enthüllung des Verbrechens –, statt richtig zu zünden. Ein deutlich zurückhaltenderes Spiel in den ersten drei Vierteln der Inszenierung würde dem durchaus gewichtigen Schluss die angemessene Wucht verleihen.

Magdalena Sporkmann

Foto: Arno Declair

mit:
Pavlos Anesiadis
Kya-Celina Barucki
Frida Lang
Anna Lencer
Bruno Liebler
Jasmin Sebastiani
Livia Marlene Wolf

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