Zuletzt steht nur noch er selbst sich im Weg

// Richard III von William Shakespeare //

Seit sieben Jahren ist der Name Lars Eidinger untrennbar mit der noch immer heiß begehrten Hamlet-Inszenierung an der Schaubühne am Lehniner Platz verbunden. Seit dem 7. Februar 2015 ist Eidinger nun in der Titelrolle des Shakespeare-Dramas Richard III zu sehen. Regisseur Thomas Ostermeier inszenierte den Aufstieg dieses blutrünstigen Intriganten auf der neu eingerichteten Shakespeare-Bühne, dem Globe.

Bühne und Zuschauerraum erinnern an das Globe Theatre Londons. Die Besonderheit dieses Baus besteht darin, dass sich die Zuschauerreihen kreisförmig um die Bühne ziehen und nach hinten hin stark in die Höhe versetzt sind, wie bei einem Amphitheater. Die Sicht auf die Bühne ist einerseits so für jeden Zuschauer einwandfrei und andererseits ist die Entfernung zwischen Publikum und Bühne verhältnismäßig gering. Es entsteht eine sehr intime Stimmung, die auch dadurch unterstützt wird, dass die Schauspieler viel Augenkontakt zum Publikum halten, das nicht, wie üblich, in totaler Finsternis verschwindet.

Das Spiel steht auf dieser Bühne buchstäblich im Mittelpunkt und es lenken kaum Requisiten davon ab. Zumeist blickt man auf das sandbedeckte Halbrund der Bühne, an deren hinterem Ende eine Treppe auf eine Galerie führt (Bühne: Jan Pappelbaum). Musik-Kollagen mit Thomas Witte am Schlagzeug untermalen atmosphärische Hintergrund-Videoprojektionen (Sébastien Dupouney).

Lars Eindinges Spiel passt sich diesem Raum an. Er erscheint zurückhaltender und ernster. Die Rolle Richard III gebietet eine vorsichtige Spielweise. Beurteilt man diese Figur allein nach ihren Taten, kann man sie leicht für einen skrupellosen Schlächter halten, doch das wäre verfehlt. Shakespeare hat Richard III sein ganzes Sprachgenie geliehen. Mithilfe meisterlicher Rhetorik, List und Menschenkenntnis spinnt Richard III seine Intrigen, die ihn schließlich zum Thron verhelfen. Dass er dabei über Leichen geht, ist allgemein bekannt. Die psychologische Konstitution, die Richards Verbrechen zugrunde liegt, spiegelt sich vielfältig in Lars Eidingers Spiel. Er nimmt die Haltung des Krüppels, der Richard III körperlich gewesen ist, ein. Requisiten wie Kopfbandagen, Buckel und Klumpfuß erscheinen nahezu überflüssig, so sehr hat sich Eidinger körperlich in seine Rolle hineinversetzt. Seine Interpretation der von Marius von Mayenburg bearbeiteten Textfassung lässt ebenso sehr eine seelische Morbidität erkennen.

Herausragend in seiner Darbietung ist neben Lars Eidinger auch Robert Beyer zu nennen. Wandelbar verkörpert er sowohl den treuen Gefolgsmann Richards als auch Margaret, die entmachtete Königin sowie einen Auftragsmörder Richards. Sein Spiel oszilliert dabei zwischen unauffälliger Seriosität, tragischer Komik und momenthaftem Witz.

In echter Gemeinschaftsarbeit beleben die Schauspieler zwei ganz besondere Darsteller. Prinz Edward von Wales und sein Bruder, der Duke of York, sind noch Kinder. Sie verdeutlichen als lebensgroße Handpuppen (gesprochen von Christoph Gawenda und Laurenz Laufenberg) ihre offensichtlich missliche Lage: Sie sind nicht mehr als Marionetten ihrer Eltern im Kampf um den Thron von England. Als Rivalen Richards müssen auch sie schließlich sterben.

Zugegebenermaßen wird manchem Zuschauer über zweieinhalb Stunden das ewige Morden etwas lang. Immerhin vermag das Staunen über die aberwitzigen Schlachtzüge Richard III auf intellektueller Ebene zu unterhalten. Die Inszenierung beginnt mit Korkenknallen, Flitter-Kanone, einer lauten, poppigen Siegesfeier, die an eine heutige Wahlsieg-Party erinnert. Doch Ostermeier lässt diese Perspektive nur anklingen. Das genügt. Was folgt ist eine genaue Analyse der Mechanismen des Machtgewinns. Dadurch erreicht die Inszenierung mehr Aussagekraft als sie jeder Aktualitätsbezug hätte bewirken können.

Magdalena Sporkmann

Foto: Arno Declair

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