// Morning von Simon Stephens //
Das “neue“ Maxim Gorki Theater in Berlin scheint wie verwandelt: Im Premieren-Reigen des Novembers steht auch ein Gastspiel des jungen theaters basel auf dem Programm. Morning von Simon Stephens unter der Regie von Sebastian Nübling bildet den Auftakt der geplanten Kooperation zwischen Maxim Gorki Theater und jungem theater basel. Das verjüngte Berliner Publikum zeigte sich am 24. November 2013 zu Recht begeistert.
Das junge theater basel bringt Stücke für und mit Jugendlichen auf die Bühne. Die jungen Laien-Schauspieler entfalten mit professioneller Unterstützung ihr schauspielerisches Talent und erarbeiten mitreißende und erfolgreiche Inszenierungen. Simon Stephens hat Morning im Zuge eines Workshops mit Jugendlichen des jungen theaters basel und Mitgliedern der Young Company des Lyric Hammersmith/London geschrieben. In Sebastian Nüblings Inszenierung vom Januar 2013 haben die jugendlichen SchauspielerInnen den Text ins Schweizerdeutsche übertragen. Für das deutschsprachige Publikum gibt es deutsche Untertitel.
Die neunzig Minuten Spieldauer rasen unter dem Motto „I’m living out my life like I’m on the run“ an dem Zuschauer vorüber. Die 17-jährige Stephanie (Tabea Buser) hat es nicht leicht: Ihre beste Freundin Cat (Jara Bihler) wird sie in einer Woche verlassen, um aufs Internat zu gehen. Ihre Mutter stirbt gerade an Krebs und lässt Stephanie mit ihrem Bruder Alex (Joshua Brunner) allein zurück. Mit ihrem Freund Stephen (Nico Herzig) macht Stephanie eher lieblose sexuelle Erfahrungen und ihr bester Kumpel Jacob (Lukas Stäuble) wendet sich Anna (Olivia Ronzani) zu, einem Mädchen, das “everybody’s darling“ ist. Stephanie aber fühlt sich von niemandem geliebt. Zum Ausgleich versucht sie sich durch Mut, eine penetrante Art und Unternehmungslust unter ihren Freunden Anerkennung zu erringen. Die Jugendlichen strotzen vor Energie, die schnell in Aggression umschlägt. Ein Mord geschieht.
Sebastian Nübling überzeichnet die Züge der Jugendlichen, die Simon Stephens im Text angelegt hat, und schafft so das exemplarische Bild einer Jugend. Langeweile und Problemen werden animalische, archaische und wilde Entschlossenheit und Energie entgegengesetzt. Freunde ersetzen die Familie und immer liegt etwas Verheißungsvolles, süß wie der allgegenwärtige Puderzucker, in der Luft. Die Kraft, die die Jugendlichen antreibt wird in Musik- und Tanzeinlagen hör- und sichtbar. Sie erinnern an Pop-Videos von den Musiksendern im Fernsehen. Dass die unbändige Energie der Jugendlichen im Spiel zu Aggression und Mord führt, ist notwendiges Mittel, um die enorme Spannung spürbar zu machen, die zwischen Langeweile und der Sehnsucht nach Ereignissen, einer “süßen“ Zukunft, entsteht.
Tabea Buser als Stephanie in der Hauptrolle besticht durch ihre Fähigkeit, genau diese Spannung die ganze Zeit über zu halten. Sie ist zugleich kokett und tyrannisch, sexy und beängstigend, bemitleidenswert und abstoßend. Ebenso, doch viel subtiler, verkörpert Olivia Ronzani als Anna die widersprüchlichen Regungen ihrer Figur. Sie triumphiert als begehrenswertes Mädchen und Freundin des beliebten Jacob. Stephanie gegenüber schwankt sie zwischen Arroganz, Angst und Mitleid. Als Ensemble bilden die Jugendlichen einen starken Verbund. Ihr Umgang auf der Bühne ist kohärent und geübt. Sie haben nicht sich selbst gespielt, sondern Mut zur Übertreibung und einer originellen Körpersprache gefunden.
Morning spricht metaphorisch von den chaotischen Jahren, die manche Pubertät nennen. Dabei haben alle Beteiligten mit großer Zuneigung und Feinfühligkeit beeindruckende Figuren geschaffen, die keineswegs hilflos im Sumpf der Emotionen und Hormone umher treiben, sondern deren Handeln in ihrem Kosmos durchaus Berechtigung hat. Kraft und Potential der Jugend werden spürbar. Damit spricht das junge theater basel auch über sich selbst, indem es demonstriert, wie diese jugendliche Energie auf produktive Weise kanalisiert werden kann.
Magdalena Sporkmann
Ausstattung: Ursula Leuenberger
Visuals: Philip Whitfield
Sounds: Tobias Koch
Licht und Technik: Heini Weber
Dramaturgie: Uwe Heinrich
Assistenz: Katharina Wiss
Bühnenmeister: Klemens Stark
Beleuchtungsmeister: Pierre Stolper, Norman Plathe
Ton: Andrej Koch
Video: José Luis Garro García
Requisite: Uwe Thiel, Jürgen Gebhardt, Sabine Kühne
Ankleider: Josefin Kwon